„Meine ersten Ideen sind nicht die besten — und KI macht sie nur schlimmer": Was ein Autor aus seiner ChatGPT‑Testfahrt gelernt hat
Vom mühsamen Handwerk zur verlockenden Abkürzung
Andrew Bridgeman beschreibt Schreiben nicht als romantische Berufung, sondern als harte, oft frustrierende Arbeit. Als Thrillerautor hat er gelernt, dass seine Romane durch langwieriges Ausprobieren, Umwege und „gegen den Strich kämpfen“ entstehen. Als er an seinem dritten Buch arbeitete, lockte ihn die einfache Verfügbarkeit von KI‑Tools: schnell, hilfreich bei Recherche und Brainstorming und verführerisch produktiv. Also wagte er eine „Testfahrt“ mit ChatGPT.
Die Testfahrt: Schnell, beeindruckend — aber seelenlos
Bridgeman ließ ChatGPT seinen Stil imitieren, fütterte das Modell mit Figuren‑Hintergründen und Szenenvorgaben und beobachtete, wie in Minuten mehrere Kapitel entstanden. Die KI lieferte flüssige, generische Prosa: keine Blockaden, keine Qualen — dafür jede Menge Text. Anfangs euphorisch, merkte er bald eine beunruhigende Leere: Er fühlte sich von seinem eigenen Werk entfremdet und hatte am Ende des Tages keinen echten inneren Bezug zu dem, was auf dem Blatt stand.
Wo genau liegt das Problem? Die verlorene ‚Schlacht am Satz‘
Für Bridgeman findet die kreative Arbeit auf Satzebene statt — dort entstehen überraschende Wendungen, unerwartete Verknüpfungen und echte Ideenreifung. Die KI nimmt dem Autor diese »Schlacht am Cursor« ab. Statt durch Widerstand und Revision zu besseren Ideen zu kommen, bekommt der Autor sofortige Bestätigung: die KI lobt oder verstärkt jede Eingabe. Das ist trügerisch, weil Erst‑ und Zweitideen oft noch nicht stark genug sind; meinungsbildende Reibung ist ein wichtiger Teil der Verfeinerung.
Technisches Verständnis: Warum Modelle nicht ‚originell‘ sein können
Bridgeman erinnert daran, dass große Sprachmodelle grundlegend auf Mustererkennung beruhen. Sie erzeugen Derivate aus vorhandenem Textkorpus — sie imitieren plausible Formulierungen, sind aber nicht wirklich originell. Das erklärt die generische Qualität vieler KI‑Entwürfe und warum sie autorenspezifische Tiefe oft nicht reproduzieren können. Künftige Modelle werden besser, aber das zugrundeliegende Grundproblem — das Wegnehmen der kreativen Arbeit — bleibt bestehen.
Was das für (angehende) Autoren bedeutet
Der Kernpunkt: Schriftsteller‑Wert entsteht nicht in der Geschwindigkeit des Outputs, sondern im spezifischen Denkprozess beim Ringen mit Sprache und Struktur. KI kann bei Recherche, Übersetzungen, Webseitentexten oder als gedanklicher Sparringspartner nützlich sein — aber wenn sie die Sätze für den Autor schreibt, geht ein unverzichtbarer Lern‑ und Schöpfungsprozess verloren. Bridgeman entscheidet sich deshalb, KI nicht an seine Sätze heranzulassen; er will die Dellen, den Schlamm und die Kratzer, die echte Arbeit hinterlässt.
Konkrete Empfehlungen: KI klug einsetzen statt blind delegieren
Aus der Erzählung lassen sich praktische Regeln ableiten: 1) Nutze KI für Recherche, Struktur, Ideen‑Auflockerung und technische Aufgaben (z. B. Website‑Texte), nicht für finale Satzproduktion. 2) Verwende KI als Sparringspartner — aber prüfe ihre Vorschläge kritisch und zwinge dich, eigene Revisionen durchzuführen. 3) Behalte die schwierigen Phasen: Blockaden und Umwege sind produktiv. 4) Schütze deine Stimme: Lass KI nicht dauerhaft deine Stimme imitieren, sonst verblasst dein kreativer Lernprozess.
Eine optimistische Perspektive — warum Leser menschliche Geschichten suchen werden
Bridgeman ist nicht völlig pessimistisch: Er glaubt, dass technisierte, glattgeschliffene Massenware kurzfristig dominieren könnte, aber langfristig steigt die Sehnsucht nach authentisch menschlichen Geschichten. Leser werden die Tiefe, die Fehler und die Unmittelbarkeit eines menschlichen Autoren schätzen — Geschichten mit „Schmutz auf dem Reifen“. Das macht die bewusste Pflege eigener Handarbeit zum langfristigen Wettbewerbsvorteil.
Was denkst du? Nutzt du KI beim Schreiben — und wenn ja, wie stellst du sicher, dass deine Stimme nicht verloren geht? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren oder probiere bewusst eine ‚KI‑freie‘ Schreibsession und beobachte den Unterschied.
Quelle: https://www.writersdigest.com/my-first-ideas-arent-my-best-and-ai-only-makes-them-worse